Interview zum Thema Migration in der Arbeit
des Sportkreises Hochtaunus e.V.
Integration ist keine Frage des Passes
Für sein Amt im Sportkreis Hochtaunus betätigt sich der Banker Renzo Sechi als Brückenbauer zwischen den Kulturen
Lange verdrängt, ist das Thema Integration plötzlich in aller Munde. Der Sportkreis Hochtaunus hat sich dem Thema jedoch schon früh gewidmet. Seit kurzem hat der Sportkreis mit Renzo Sechi sogar einen Integrationsbeauftragten. Er will als Brückenbauer zwischen Vereinen und Migranten vermitteln und stellt im TZ-Interview klar, dass Integration keine Frage des Passes ist. Mit ihm sprachen Matthias Kliem und Alexander Wächtershäuser.'
Herr Sechi, wer in diesen Tagen über Integration spricht, kommt an dem Namen Sarrazin nicht vorbei. Haben Sie sein Buch schon gelesen?
SECHI: Zugegeben, ich habe das Buch gekauft. Aber es ist das Geld nicht wert. Sarrazin benennt Zustände, bietet aber keine Lösungen an. Im Gegenteil: Er schließt Menschen aus und entwertet die Arbeit anderer.
Inwiefern?
SECHI: Es gibt viele Menschen, die sich ehrenamtlich für Integration engagieren. Deren Einsatz wird entwertet, wenn sich Sarrazin hinstellt und von genetischen Zusammenhängen bei der Bildung spricht.
Was muss geschehen, damit die Prophezeiung des Provokateurs, dass Deutschland sich abschafft, nicht eintrifft?
SECHI: Es wird sicherlich viele kleine und individuelle Lösungen geben müssen. Sei es die Hausaufgabenhilfe oder durch das Einbinden von Einwanderern in die Vereinsarbeit. Wir können da ein Stück weit von der Wirtschaft lernen. Ich arbeite als gebürtiger Italiener in Deutschland mit amerikanischer Berufsausbildung für ein skandinavisches Finanzinstitut und kommuniziere dort in Deutsch, Englisch und Italienisch. Diese Internationalität ist von global aufgestellten Unternehmen gewünscht.
Das sind dann aber Menschen, die beruflich fest etabliert sind. Bei Integration geht es oft um Menschen auf einer niedrigeren Bildungs- und Einkommensebene.
SECHI: Das stimmt, der Ausländeranteil der männlichen Aktiven im Fußball oder Kampfsport ist höher als etwa in der Leichathletik oder im Volleyball. Da spielt die Familientradition aber oftmals eine entscheidende Rolle. Interessant ist, dass der Tanzsport bei gerade bei weiblichen Einwanderern aus Osteuropa sehr beliebt ist.
Wie sieht es denn nach mit der Integration im Taunus aus?
SECHI: Wir profitieren vom Speckgürtel rund um Frankfurt, in dem auch viele gut verdienende Migranten leben. Das mindert das Konfliktpotenzial. Dennoch gibt es auch hier noch einiges zu tun.
Was denn zum Beispiel?
SECHI: Wir haben im Hochtaunuskreis einen Ausländeranteil von gut 11 Prozent. Doch in den Vorständen der Vereine sieht man kaum Immigranten. Da liegen wir noch unter dem hessischen Durchschnitt. Dabei wäre das wichtig, um diese Personengruppen zu erreichen und auch die Zukunft der Vereine zu sichern. Doch das ist nur eine Seite der Medaille. Wir müssen auch dafür sorgen, dass Kinder von der Straße geholt werden. Da haben wir durchaus noch einen Nachholbedarf.
Wie soll das gelingen?
SECHI: Auch da können viele kleine Schritte eine Menge bewirken. Manchmal hilft es schon, wenn man Sponsoren auftun kann, die schon mal Sportschuhe finanzieren. Manchmal wissen aber Eltern gar nicht, wie sie ihre Kinder in Vereinen anmelden können. Da gibt es oft Hemmschwellen, die überwunden werden müssen. Gerade wenn man finanziell nicht auf Rosen gebettet ist.
Sie sind im Ausländerbeirat der Stadt Friedrichsdorf aktiv. Inwieweit können sich diese Gremien einbringen?
SECHI: Deren Potenzial ist noch nicht ausgeschöpft. Sie könnten noch etwas offensiver werden und zum Beispiel auch Elternabende in Schulen besuchen.
Hat sich denn der Hochtaunus den Titel Modellregion Integration verdient, mit dem er sich schmückt?
SECHI: Dieser Prozess ist noch nicht abgeschlossen, aber der Kreis ist auf einem guten Weg.
Immerhin gibt es ja beim Sportkreis einen Integrationsbeauftragten. Wie kamen Sie zu diesem Amt?
SECHI: Ich habe schon immer ein Faible für Sport. Meine Tochter hat mit ihrer Gruppe viermal die Hessenmeisterschaft gewonnen, mein Sohn hat mit seiner Mannschaft den hessischen Schulmeistertitel im Tennis gewonnen. Die Trainerin meiner Tochter hat dann den Vorsitzenden des Sportkreises, Norbert Möller, auf mich aufmerksam gemacht. Und so kam es eben.
Warum kommt den Vereinen, vor allem den Sportvereinen denn so eine besondere Rolle bei der Integration zu?
SECHI: Man kommt im Sport mit Menschen zusammen, mit denen man sonst wenig zu tun bekommen hätte. Da ist schon einmal der Kontakt hergestellt. Gerade in Mannschaftssportarten steht der Teamgedanke im Vordergrund. Innerhalb der Mannschaft muss man sich zusammenraufen, um das gestellte Ziel zu erreichen. Das schweißt zusammen.
Wie muss man sich denn Ihr Amt vorstellen?
SECHI: Ich verstehe mich als Brückenbauer. Ich will Vereine dabei unterstützen, Migranten ins Vereinsboot zu holen. Das Gleiche gilt übrigens auch für Kinder aus sozial schwachen Familien ganz gleich ob Deutsche oder Einwanderer. Wir haben auch im Taunus eine Kinderarmut. Es darf daher nicht sein, dass wir Deutsche in unserer Integrationsarbeit ausgrenzen, weil Eltern sich vielleicht nicht die Mitgliedsbeiträge für einen Verein leisten können. Wir müssen hier eine soziale Integration betreiben. Daher achten wir nicht darauf, welche Nationalität im Pass steht.
Wie wollen Sie Ihr Anliegen publik machen?
SECHI: Ich werde Klinkenputzen gehen, mich bei Vereinen vorstellen und Hilfe bei entsprechenden Projekten anbieten. Denn eines ist klar: Integration kann dort nur gelingen, wenn die Vereinsspitze das will und die Maßnahmen unterstützt. Hier werde ich Überzeugungsarbeit leisten. Außerdem wollen wir eine Sammlung gelungener Integrationsprojekte als Ideenpool für andere im Internet auf der Homepage des Sportkreises veröffentlichen.
Erschweren Sprachprobleme Ihre Arbeit?
SECHI: Nein. Meine Ansprechpartner werden vor allem Vereine sein, die die Integration forcieren wollen. Aber eines muss klar sein: Die Sprache der Integration muss Deutsch sein. Ansonsten kann es nicht funktionieren. Wir leben in Deutschland und hier sollen die Menschen heimisch werden, und das geht nur über die deutsche Sprache.
Taunuszeitung vom 29. September 2010